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Therapieverfahren im Projekt

Das Projekt hat zwei Therapieschwerpunkte, die Armrehabilitation und die neurovisuelle Rehabilitation bei Neglect.

Behandlungsformen der Armrehabilitation im Projekt sind das Arm-Fähigkeits-Training (AFT), das Arm-Basis-Training (ABT) und die Spiegel-Therapie.

Armlähmungen tragen wesentlich zu Schlaganfall-bedingten Alltagbehinderungen bei. Das AFT und ABT stellen zusammen ein modulares Behandlungskonzept (Impairment-oriented training, IOTs) mit zwei systematischen standardisierten Therapieformen mit guter und anderen Behandlungsformen überlegener Wirksamkeit dar (Platz et al., 2001; 2005; 2009; 2018).

 

Das Arm-Fähigkeits-Training

Das von Professor Platz entwickelte Arm-Fähigkeits-Training stellt für Patient*innen mit leicht- bis mittelgradigen Armlähmungen einen spezifischen Therapieansatz dar. Es beübt spezifisch verschiedene, in ihrer Leistung noch reduzierten motorischen Fähigkeiten wie die Fähigkeit, schnelle Wechselbewegungen mit den Fingern auszuführen, die Zielbewegungsfähigkeit, die Fähigkeit der Handruhe, die Geschicklichkeit bei der Manipulation von Gegenständen sowie die Fähigkeit, den Arm präzise zu führen. Alle diese Leistungen sind nach Schädigung eines Gehirns oder sonstigen Erkrankungen im Nervensystem sehr häufig reduziert. Betroffene merken das dadurch, dass der Arm nicht mehr so geschickt, nicht mehr so schnell, nicht mehr so einfach im Alltag eingesetzt werden kann. Diese Leistung können aber durch ein gezieltes Training wieder gesteigert. Ziel der Therapie beim Arm-Fähigkeits-Training ist daher, die Steigerung der Leistungsfähigkeit in all diesen verschiedenen Bereichen zu erreichen. Hier reicht es daher nicht, eine einzelne Fähigkeit zu trainieren, sondern alle beschriebenen und das macht das Training in systematischer Weise und verbessert damit die Alltagskompetenz des betroffenen Armes.

Das Arm-Basis-Training

Bei schwergradigen Lähmungen nach einem Schlaganfall steht der Verlust der gezielten Bewegungsfähigkeit im Vordergrund der funktionell relevanten Armfunktionsstörung. D.h., bei schweren Lähmungen können die einzelnen Muskeln entweder gar nicht mehr aktiviert werden, oder aber nicht mehr einzeln und gezielt. Ziel der Therapie bei schwerer Lähmung nach einem Schlaganfall sollte es sein, wieder Innervation für alle Muskelgruppen im Arm zu aktivieren und zwar so, dass sie einzeln und gezielt angesteuert werden können.

Das von der Physiotherapeutin Christel Eickhof entwickelte Arm-Basis-Training beübt systematisch und repetitiv (wiederholend) alle möglichen Arm- und Handbewegungen. Denn nur wenn alle Bewegungsmöglichkeiten des Armes (z.B. Schultergelenksbewegungen, Ellenbogengelenksbewegungen, Handgelenksbewegungen, Fingerbewegungen) wieder möglich sind, kann der Am optimal im Alltag eingesetzt werden.

Die Spiegeltherapie

Ergänzt werden die Therapieformen um eine Spiegeltherapie, die gerade auch bei schweren Armlähmungen nachweislich eine Funktionserholung mit Alltagsübertrag fördert (Thieme et al., 2018) und ohne Hilfsperson umsetzbar ist.

Die Spiegeltherapie möchte helfen, dass die betroffene Hirnseite, das ist die gegenüber dem gelähmten Arm, diesen wieder bewegen kann. Dazu soll diese Hirnhälfte angeregt werden.

Eine Anregung des Gehirns passiert, wenn wir uns bewegen immer auch dadurch, dass das Gehirn die Bewegungen des Armes sieht. Wenn wir also den Arm bewegen und hinschauen, dann sieht unser Gehirn diese Armbewegung und das genau verstärkt auch wieder die Bewegungskontrolle des Gehirns. Leider ist es aber so, dass Betroffene einen schwergelähmten Arm ja gar nicht bewegen können. Dann kann das Gehirn auch Bewegungen dieses Armes nicht sehen. Mit einem Spiegel kann aber eine Illusion hergestellt werden. Wenn der gesunde Arm sich bewegt und der Betroffene in den Spiegel schauen, sieht er/sie ein Spiegelbild, das genauso aussieht wie der andere, der gelähmte Arm. Bewegt sich jetzt der gesunde Arm und der Betroffene schaut in den Spiegel, dann sieht er/sie, dass sich der gelähmte Arm scheinbar ganz normal bewegt. Und diese ganz normale Bewegung des gelähmten Armes im Spiegel, diese scheinbare Bewegung im Spiegel, kann die betroffene Hirnhälfte anregen, die Bewegungen wieder besser kontrollieren zu können.

Der Neglect stellt eine multimodale Störung der räumliche Aufmerksamkeitszuwendung dar. Die dazu gehörende visuelle Vernachlässigung von Objekt-, Körper-, und Raumhälfte kann eine wesentliche Alltagsbehinderung bewirken (Kerkhoff et al. 2018).

Standardisierte Trainingsverfahren zur Behandlung des Neglectes sind die optokinetische Stimulationstherapie mit aktiven Blickfolgebewegungen (OKS), ein visuelles Sakkaden- bzw. Blickbewegungstraining zu Einzelreizen sowie ein visuelles Explorationstraining auf größeren Vorlagen.

Die optokinetische Stimulationstherapie

Bei der optokinetische Stimulationstherapie bewegen sich auf dem Bildschirm Punkte oder Symbole gleichförmig alle gemeinsam in eine Richtung, in die vernachlässigte Hälfte des Blickfeldes. Die Patient*innen werden aufgefordert den Blick an ein Symbol zu heften und diesen Blick von der „Punktewolke“ bis ganz an den Rand des Bildschirmes „mitziehen“ zu lassen und dann dort noch zu verweilen. Dabei lernt das Gehirn wieder, den Blick so weit nach links (oder rechts) zu wenden, wie es spontan kaum gelingt.

Das Sakkaden-Training („Blick-Sprung-Training“)

Beim Sakkaden-Training wird ein einzelner Punkt vor dem Betroffenen auf dem Bildschirm gezeigt, auf er/sie zunächst schauen soll. Bei einem Piep-Ton taucht dann irgendwo ein anderer Punkt auf, der entdeckt werden soll und zu dem die Augen „springen“ sollen (daher der Ausdruck „Sakkaden“ = Sprünge). Auf diese Weise lernt das Gehirn, dass es mit seinem Blick auch wieder mehr Blicksprünge in die vernachlässigte Hälfte des Blickfeldes macht.

Das Explorationstraining

Im Alltag brauchen wir auch optisch den Überblick. Beim Explorationstraining sollen Fotos ganz „abgesucht“ und bestimmte Objekte dabei alle entdeckt werden, z.B. alle Blumen einer Farbe. So lernt das Gehirn wieder, systematischer das Blickfeld abzusuchen und nichts zu übersehen.

Ein Neglect wirkt sich nachteilig auf unsere visuelle Alltagswahrnehmung aus. Durch eine optokinetische Stimulation, ein Sakkaden-Training und ein Explorationstraining, die im Projekt kombiniert zum Einsatz kommen, können die visuelle Wahrnehmung insgesamt verbessert und so die Alltagsbehinderung reduziert werden.

Kerkhoff G und Schmidt L. Neglect und assoziierte Störungen. 2018. Hogrefe Verlag, Göttingen (ISBN 9783840928543).

Platz T, Winter T, Müller N, Pinkowski C, Eickhof C, Mauritz K-H. Arm Ability Training for Stroke and Traumatic Brain Injury Patients with mild arm paresis. A Single-Blind, Randomized, Controlled Trial. Archives of Physical Medicine and Rehabilitation 82: 961-968, 2001.

Platz T, Eickhof C, van Kaick S, Engel U, Pinkowski C, Kalok S, and Pause M.. Impairment-oriented training or Bobath therapy for arm paresis after stroke: a single blind, multi-centre randomized controlled trial. Clin Rehabil, 2005; 19:714-724

Platz T, van Kaick S, Mehrholz J, Leidner O, Eickhof C, Pohl M.  Best conventional therapy versus modular Impairment-oriented training (IOT) for arm paresis after stroke: a single blind, multi-centre randomized controlled trial. Neurorehabilitation and Neural Repair 23:706-16, 2009.

Platz T und Lotze M. Arm Ability Training (AAT) Promotes Dexterity Recovery After a Stroke — a Review of Its Design, Clinical Effectiveness, and the Neurobiology of the Actions. Front. Neurol. 9:1082. doi: 10.3389/fneur.2018.01082

Thieme H, Morkisch N, Mehrholz J, Pohl M, Behrens J, Borgetto B, Dohle C. Mirror therapy for improving motor function after stroke. Cochrane Database Syst Rev. 2018 Jul 11;7(7):CD008449.