2021-08 E-BRAiN Newsletter - Therapie ist vielschichtig und ebenso die therapeutische Interaktion.

Aktuelle Forschungsinfo aus der AG Neurorehabilitation der Universitätsmedizin Greifswald

Wie Neurorehabilitation umgesetzt werden kann

Neurorehabilitation hat oftmals das Ziel, durch sehr spezifische Trainingsbehandlung verloren gegangene Funktionen wiederherzustellen und das körperliche Leistungsvermögen wie auch das kognitive Leistungsvermögen zu verbessern. Meist ist hierfür über viele Tage und Wochen wiederholtes intensives Trainieren an der Leistungsgrenze erforderlich. Therapeuten haben hierbei eine sehr komplexe Aufgabe.
Übergeordnetes Ziel der Therapie ist es, ein für den Patienten relevantes und mit ihm abgestimmtes, in der Regel funktionelles Behandlungsziel zu erreichen wie zum Beispiel, Hand und Arm im Alltag wieder geschickter einsetzen zu können.
Die individuell ausgesuchte und für den einzelnen Patienten nochmals angepasste Therapie ermöglicht es, dieses Behandlungsziel zu erreichen.
 

Was ist für die Therapiesituation wichtig?

In der Therapiesituation geht es darum, dieses Behandlungsziel zu verfolgen, um es schlussendlich zu erreichen, aber auch darum, zunächst ganz konkret die Behandlungssituation und den Behandlungsprozess erfolgreich zu gestalten. Denn wenn es gelingt, Behandlungssituation und Behandlungsprozess aktiv erfolgreich zu gestalten, kann es auch eher gelingen, dass das Behandlungsziel erreicht werden kann. Das erfordert neben dem Einsatz des jeweils erforderlichen Therapiematerials eine vielschichtige therapeutische Interaktion.
 

Wichtige Aspekte therapeutischer Interaktion

Wissensvermittlung, Anleitung und Feedback:
Die therapeutische Interaktion dient zum einen verschiedenen Bereichen der Wissensvermittlung. Patienten sollen erfahren, warum welche Therapie selektiert wurde, um ihr persönliches Behandlungsziel zu unterstützen, und was die Inhalte dieser Therapie sind. Ferner müssen Patienten die Trainingsaufgaben erst einmal kennen lernen und umzusetzen lernen, sie brauchen entsprechend Instruktionen. Wenn sie dann Trainingsaufgaben durchführen, profitieren sie von spezifischen Rückmeldungen, Feedback, das Ihnen Orientierung gibt, inwiefern sie die Trainingsaufgaben wie vorgesehen durchführen und inwiefern sie im Moment und bisher beim Training dabei erfolgreich sind, ihre Körperfunktionen oder Alltagskompetenz durch Training zu verbessern.
Persönliche Betreuung:
Der Behandlungsprozess soll aber auch so gestaltet sein, dass die Betreuung persönlich stattfindet, dass dabei die persönliche Ebene ausreichend berücksichtigt wird. Therapeuten zeigen bei der Therapie aktiv Interesse an der Person ihres Gegenübers. Sie reagieren adäquat auf Hinweise, Fragen bzw. Beschwerden, die ein Patient während der Therapie verbal oder nonverbal äußert.
All diese Formen der therapeutischen Interaktion, die auch auf Seiten des Therapeuten verbal und nonverbal sein können, sind notwendig, um die Behandlungssituation und den Behandlungsprozess erfolgreich zu gestalten, und das Erreichen der Behandlungsziele des Patienten durch die Therapie zu fördern.
 

Abb. 1 zeigt, wie einem Patienten spezifische Informationen in einer Behandlungssituation vermittelt werden.

 

Kann therapeutische Interaktion auch einem humanoiden Roboter gelingen?

Im E-BRAiN-Projekt soll u.a. auch der Versuch unternommen werden, dass eine so komplexe soziale Interaktion auch von einem humanoiden Roboter im Sinne eines Therapie-Assistenten übernommen werden kann.
Aus dem Gesagten wird deutlich, dass dies ein sehr hoher Anspruch ist, der weit über eine gewöhnliche Computer-App oder Computerspiele hinausgeht. Eine wichtige Voraussetzung ist es, zunächst die therapeutischen Interaktionen und was sie beeinflusst sehr genau zu kennen. Doch um sie kennen zu lernen, bedarf es der Möglichkeit sie zu erfassen, sie standardisiert zu dokumentieren, also zuverlässig und valide zu messen.
 

Im Projekt wurde erstmals therapeutische Interaktion in der Neurorehabilitation standardisiert „messbar“ gemacht.

Ein Instrument zur standardisierten Erfassung und Dokumentation therapeutischer Interaktion mit all den oben genannten Aspekten gab es bisher nicht. Im Projekt wurde daher als Voraussetzung dafür, die therapeutische Interaktion mit dem humanoiden Roboter adäquat gestalten zu können, zunächst ein Instrument zu standardisierten Dokumentation humaner therapeutischer Interaktion entwickelt und geprüft. Das neue Messinstrument "THER-I-ACT" ("THERapeutic InterACTion"), dessen Entwicklung und Überprüfung der Reliabilität (Übereinstimmung, wenn zwei Beurteiler getrennt bewerten) gerade international "open access" veröffentlicht wurde, leistet all das. Mit ihm kann standardisiert dokumentiert werden, wie oft und wie lange Therapeuten welche Form der Interaktion in einer Therapiesitzung einsetzen. Nähere Infos über die Forschungsergebnisse und auch das Testmanual selbst sind frei verfügbar (https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fneur.2021.716953/full).
Durch die Schaffung des Instrumentes "THER-I-ACT" wurde so ein neuer Bereich klinischen Handelns klinischer Beobachtung und wissenschaftlicher Forschung zugänglich gemacht, der sich für die Entwicklung eines humanoiden Roboters als Therapieassistenz als äußerst fruchtbar erweist.
Mit dem Instrument konnte für die im E-BRAiN-Projekt durchgeführten Therapien auch bereits erhoben werden, wie genau therapeutische Interaktion bei diesen Therapieformen durchgeführt wird. Das so erfasste Wissen ist mit Grundlage für die therapeutische Interaktion des humanoiden Roboters als Therapieassistenz im Projekt E-BRAiN.
 

Abb. 2 zeigt, wie ein Training durchgeführt wird, bei dem die Anleitung durch den humanoiden Roboter erfolgt, der seine Instruktionen in ähnlicher Weise gibt, wie dies auch ein menschlicher Behandler machen würde.

 

Ein Forschungsverbund mit Beteiligung der Universität und Universitätsmedizin Greifswald, Universität Rostock und Hochschule Neubrandenburg

Verbund-Koordinator

Prof. Dr. med. Thomas Platz
Universitätsmedizin Greifswald
AG Neurorehabilitation - E-BRAiN
Fleischmannstraße 44
17475 Greifswald

Ansprechpartner

Team der AG Neurorehabilitation
E-MAil: e-brain@med.uni-greifswald.de
Telefon: 03834 86-6966
Fax: 03834 86-6902

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